Der Tag passt zu meiner Stimmung, als wir uns auf den Weg nach Argentinien machen, wie immer vor einer Grenze und einem neuen Land bin ich aufgeregt. Man hat uns vor den angeblich strengen Polizeikontrollen gewarnt, die wir hier zu erwarten haben und vor allem davor, dass wir Ärger bekommen, wenn wir keine gültige Haftpflichtversicherung vorzuweisen haben, was ja der Fall ist....und nach einem schnellen passieren der chilenischen Grenze müssen wir im Schneeregen erst einmal 44 Km Passstraße überqueren, bevor wir völlig durchgefroren und pitschnass am argentinischen Grenzübergang ankommen.
Freundlich zeigt man uns, wo wir als nächstes hinmüssen und der Papierkram ist dann schnell erledigt. Keiner fragt uns nach einer Haftpflichtversicherung und wir müssen noch nicht einmal irgendwelche Taschen aufmachen – die Männer vom Zoll begrüßen uns freundlich in ihrem Land und winken uns dann fröhlich durch – wir können es fast nicht glauben. Schade, dass wir so wenig von den Aussichten zu sehen bekommen, denn noch immer ist es düster, grau und wolkenverhangen.Bis Bariloche kommen wir durch mindestens 5 Polizeikontrollen, aber auch hier winkt man uns überall freundlich durch.
Nach einer fruchtlosen Suche nach Campingplätzen beschließen wir, doch erst ins Stadtzentrum zu fahren, denn dort gibt es eine Touristeninformation und außerdem brauchen wir ja auch noch dringend argentinische Pesos.
Bariloche ist das touristische Zentrum dieser Gegend und wegen seiner Lage das ganze Jahr überlaufen, ein teures Pflaster. Die Infostelle erweist sich als effizient – ich komme ziemlich schnell mit einem Stadtplan, der Wegbeschreibung zu einem Campingplatz und zur Wechselstube wieder heraus. Die Wechselstube hat allerdings schon geschlossen, Bankautomaten nehmen meine Visakarte nicht an und nun ist mal wieder guter Rat teuer und ich suche ja sowieso den illegalen Tauschmarkt so beschließe ich einfach in eines der Geschäfte zu gehen und zu fragen, wo ich Geld tauschen kann, was mich ziemlich schnell zu einem jungen Mann bringt, der an einer Straßenecke lehnt und sofort geschäftstüchtig seine Dienste anbietet. Ich tausche bei ihm 100 $ in Pesos zu einem Wechselkurs von 14,3 (der Bankkurs liegt bei 9 $), dann fahren wir so schnell es geht zu dem angegebenen Campingplatz.
Der junge Mann an der Rezeption ist sehr von unserem Motorrad angetan und verspricht uns, dass es hier ein Restaurant gibt und außerdem funktionierendes Wlan– na super. Wir bauen unser Haus und machen uns auf den Weg zum Restaurant – das geschlossen ist. Wieder an der Rezeption fragen wir dann nach dem nächsten Supermarkt und erfahren, dass wir laufen müssen, denn der macht in 10 Minuten zu. Wir schaffen es gerade so vor Ladenschluss hineinzukommen und während wir geschockt von den Preisen versuchen herauszufinden, was wir uns leisten können werden auch schon die Lichter ausgemacht. Kurzentschlossen versorgen wir uns mit Brot, etwas Wurst und Wein für ein Picknick, – wir sind schon ziemlich ausgehungert. Während wir also neben unserem Zelt essen kommt wieder der junge Mann von der Rezeption und teilt uns mit, dass wir auch im Hauptgebäude in der Küche essen könnten – na vielleicht morgen zum Frühstück…
Als nächstes wollen wir die versprochene Internetverbindung testen, aber auch hier haben wir kein Glück. Nachdem wir im Dunkeln endlich den Eingang zum Hauptgebäude gefunden haben ist dort ein Türöffner mit Zahlencode (den wir nicht haben) und hier erfahren wir nun, dass die Küche zwar vorhanden ist, aber leider nur für Hostelgäste..... so viel zu Versprechungen......
Nachdem unser Pesovorrat am ersten Tag schon so schnell geschrumpft ist halten wir noch Mal in der Stadt um wieder den jungen Mann aufzusuchen, der gestern unsere Dollars für uns getauscht hat – ich bin recht sauer, denn über Nacht ist der Kurs von 14,3 auf 13 Pesos gefallen. Da ich aber nicht weiß, wann und wo wir wieder Geld wechseln können beiße ich in den sauren Apfel – ist ja immer noch besser, als auf der Bank.
Wir machen uns schließlich auf den Weg – verpassen alle Tankstellen und dann sind wir auf der Piste (im wahrsten Sinne des Wortes). Kev schaut in den Tank und beschließt, dass wir bis zur nächsten Stadt in 75 Km genug Benzin haben. Die Route National 23 ist grausam, sie wird gerade neu gebaut und wir müssen nebenan auf der Staubpiste fahren, die ist hart wie Beton und von Wellblechrillen durchzogen. Die Stadt, in der wir tanken wollen entpuppt sich als kleines Dorf, aber nun brauchen wir wirklich Sprit. Wir fragen uns durch und stehen schließlich vor abgeschlossenen Zapfsäulen, aber die letzte Person, die wir nach dem Weg gefragt haben hat uns schon vorgewarnt und für den Fall der Fälle angeboten, zurück zu kommen, sie würde den Tankwart dann anrufen. Wir fahren also zurück und während wir mit 3 netten Damen warten erfahren wir, das eine von ihnen Ärztin ist, eine ist Psychologin und eine Tierärztin – sie lachen herzlich, als ich bemerke, dass sie damit ja alle Eventualitäten abgedeckt hätten.
Mit vollem Tank hoppeln wir bald weiter und die Gegend erinnert uns mehr und mehr an das australische Outback – es ist halt bloß nicht rot.
Plötzlich sehen wir riesige Vögel über uns kreisen – wir denken, es müssen Condore sein – leider zu weit weg, um ein gutes Foto zu bekommen – oder vielleicht eher zum Glück? Ist bestimmt ein schlechtes Omen, wenn riesige Geier zu dicht über einem kreisen.
Es ist schon spät am Nachmittag, als wir endlich in so etwas wie eine Stadt kommen. Wir halten an und sofort kommt ein junger Mann auf uns zu und fragt, was wir suchen – Comida = Essen. Er winkt uns gleich in seine Bar und obwohl wir glauben, Chorizo (die hiesige Version von Bratwurst) bestellt zu haben, bekommen wir Steak (mittlerweile wissen wir, das Bistecca di Chorizo keine Wurst ist) – tja, wenns denn sein muss. Unser erstes argentinisches Steak ist eine Offenbarung – wer es einmal hier probiert hat wird diesen Geschmack sein Leben lang als Maßstab in sich tragen .
Nachdem wir uns also gestärkt haben, geht es weiter auf der Piste und wir schlucken jede Menge Staub. Wie Murphy das so will finden wir nun auch nichts, wo wir unser Zelt aufstellen können – einmal folgen wir einem Feldweg und finden eine Art Parkplatz – wahrscheinlich von den Straßenarbeitern, aber es bläst hier gewaltig. Wir versuchen trotzdem, dass Zelt aufzustellen, scheitern aber schon darin, auch nur einen einzigen Hering in den Boden zu bekommen – der ist hart wie Beton und ohne Befestigung geht hier gar nichts. Mit großer Mühe packen wir wieder alles wieder zusammen (Zelt packen bei so einem Wind ist nur was für Fortgeschrittene!) und aufs Moped dann quälen wir uns weiter über die grausige Wellblechpiste – hinter uns geht die Sonne unter, vor uns drohen dunkle Wolken. Schade, dass ich zu langsam bin, um ein Foto von einem Armadillo zu machen, das vor uns über die Piste huscht – die Viecher sehen echt witzig aus, sind aber gemein schnell.
Kurz vor Stockdunkel finden wir dann ein offenes Tor im Zaun und sogar ein paar Büsche, um uns dahinter ein wenig zu verstecken, aber der Wind macht es schwer, das Zelt aufzustellen und am Ende stehen wir recht schief da – na macht nix, wenigstens haben wir ein Dach überm Kopf!
Der nächste Tag besteht aus Kilometer-fressen – die Landschaft ist langweilig (flach und sandig) und wir wollen einfach nur irgendwie schnell bis zur Valdez Halbinsel kommen, unserem ersten Ziel hier in Argentinien, weil ich unbedingt wenigstens einmal im Leben echte Wale in freier Natur sehen will, denn laut Touristeninfo ist die Bucht hier sozusagen der Lieblingskindergarten der riesigen Meeressäuger.....
Nun ja wenigstens haben wir nun endlich wieder Teerstrecke und so schaffen wir locker 450 Km und das obwohl wir uns immer gegen den Wind stemmen müssen. Am Ende finden wir sogar einen richtigen Campingplatz und es ist auch noch früher Nachmittag Wir bauen unser Zelt, gehen einkaufen, waschen unsere Küchenkiste aus – denn auf der Wellblechpiste ist eine Flasche mit Ketchup geplatzt und alles ist komplett eingesaut… und nach einem Abendbrot aus Kartoffelbrei und argentinischer Blutwurst (das glaubt einem doch kein Mensch) und gibt es für uns eine ganz besondere Freude : eine heiße Dusche!!!! Wie toll das ist kann man nur nachempfinden, wenn man völlig verstaubt und verklebt ist und man seit über einer Woche wenn überhaupt eine Dusche, dann nur kalte gefunden hat – jepp, ich bin Warmduscher und mag weiche Eier - Wir fühlen uns wie im Himmel.
Bis Puerto Madryn sind es nur noch so um die 160 km, die Strecke ist ziemlich gut (wir wollen jetzt hier echt nicht über Spurrillen meckern denn wenigstens gibt es Teer) und landschaftlich ist gibt es nichts, was uns aufhält.
Kurz vorm Ziel sehen wir 2 Motorräder am gegenüberliegenden Straßenrand wir rauschen vorbei, beschließen dann aber umzukehren – vielleicht brauchen die Jungs ja Werkzeug und wir können irgendwie helfen ….
Es handelt sich um 2 Biker aus Buenos Aires auf dem Nachhauseweg – sie haben kein Problem, sondern wollten sich nur was Wärmeres anziehen. Die Beiden freuen sich aber so sehr, dass wir angehalten haben und sind von unserer Reise derart beeindruckt, dass sie uns am Ende Geld in die Hand drücken (der Protest ist nur schwach, denn wir können wirklich jeden Peso gebrauchen)
In Puerto Madryn treffen als erstes auf 2 Engländer – Bill und Dawn, die mit ihrer 1200 GS ein halbes Jahr lang Südamerika bereisen wollen und unterhalten uns für eine Weile, aber da wir nun erst einmal einen Campingplatz suchen wollen, tauschen wir fürs Erste nur Kontakte aus und verabreden uns für Morgen.
Die Bucht ist wirklich voller Wale und ich bin hin und weg und kann sogar ein paar richtig gute Bilder machen (die mit den winkenden Schwanzflossen). Wir suchen ein wenig herum und haben bald die nächste tolle Überraschung – wir finden einen Campingplatz, der für Mitglieder des ADAC 35 Pesos weniger als normal kostet und es gibt sogar Internet hier. Was für ein Tag – alles war einfach nur glückliche Fügung und sogar unser Motorrad scheint problemlos zu laufen – man muss den perfekten Moment genießen, wenn man kann.
Wie verabredet treffen wir Bill und Dawn am nächsten Tag und nachdem wir ihnen erzählen, wie gut und günstig wir es auf dem Campingplatz haben, ziehen sie kurz entschlossen ebenfalls um und wir verbringen ein paar Tage gemeinsam, erkunden die Gegend und da die Beiden mindestens so verrückt sind, wie wir haben wir dabei unglaublich viel Spass.
Die Wale lassen sich in der Bucht allerdings nicht mehr blicken weshalb wir beschließen die Valdez Halbinsel zu erkunden und während Bill und Dawn sich eine Waltour leisten fahren wir beiden zum anderen Ende der Halbinsel, wo wir hoffen Magellanpinguine, Seeelefanten und evtl vielleicht sogar Orkas zu sehen.
Die Strecke ist komplett loser Schotter und wegen der Wellblechpiste gibt Kevin anständig Gas, was zur Folge hat, dass wir einige Male recht übel ins Schlingern kommen.
Auf dem ersten Aussichtsplatz sind jede Menge Pinguine, dann geht es weiter und auf dem nächsten Parkplatz treffen wir auf ein riesiges Ungetüm von Reisebus/LKW mit deutschem Nummernschild. Während wir uns mit dem dazugehörenden Ehepaar über das gegenseitige woher/wohin unterhalten fällt mir auf, dass unser Hinterrad ziemlich platt ausschaut. Der LKW hat einen integrierten Kompressor und so wird denn gleich aufgepumpt. Nullkommanichts ist der Reifen voll …. und wieder leer – wir haben unsere erste Reifenpanne nach über 100 000 km. Die angebotene Hilfe der beiden schlagen wir aus, denn sie wollen ja noch weiter und wir haben ja sowohl einen Ersatzreifen, als auch Werkzeug und so verabschieden wir uns von den Beiden im Truck, bevor wir uns an die Arbeit machen. Schon nach wenigen Minuten müssen wir realisieren, dass wir die wichtigsten Werkzeuge gar nicht dabei haben – die sind im Zelt, ca. 160 km von uns entfernt. Na super – die Beiden in dem Monstermobil hätten bestimmt alles da gehabt und nun stehen wir auf einem Parkplatz im Nirgendwo und können den Seeelefanten erzählen, was wir brauchen…..
Natürlich kommen bald ein paar Fahrzeuge, aber es handelt sich meist um Mietwagen und die haben kein Werkzeug – oder die Insassen verstehen nur spanisch. Obwohl wir unser Latinowortschatz mittlerweile etwas gewachsen ist und wir nun außer 2 Bier noch andere Sachen einkaufen können – das Wort für Imbusschlüssel ist nicht dabei. Irgendwann kommt einer der Tourbussfahrer auf die Idee, uns ein paar Ranger vorbeizuschicken – die haben auch kein passendes Werkzeug, dafür aber gute Laune und aufmunternde Worte. Gemeinsam bekommen wir es dann wenigstens hin, das Motorrad bis zur Rangerstation zu befördern und dort haben wir dann das unglaubliche Glück, auf ein paar junge Männer aus der Nachbarschaft gut sortierten Werkzeugkasten zu treffen. Unser nächstes (und kleinstes) Problem ist nun, den Eifer von 5 hilfswilligen Latinos in produktive Bahnen zu lenken – dabei ist mir immer ein wenig mulmig zumute, denn bei so viel Testosteron im Helfermodus ist erfahrungsgemäß schnell was kaputt repariert.
Am Ende haben wir dann unseren Ersatzreifen montiert und beginnen das Wettrennen mit dem Sonnenuntergang denn bei Dunkel wären wir schon gerne wieder auf Asphalt. So schlingern wir also während sich der Himmel erst rot und dann schwarz färbt unter Missachtung sämtlicher Geschwindigkeitsregeln zurück, es ist halb 10 als wir endlich in Puerto Madryn ankommen und direkt vor unserer Nase macht der Supermarkt zu – also kein Abendbrot.
Auf dem Campingplatz warten Dawn und Bill auf uns, sie waren klüger als wir und haben darauf verzichtet, sich die Reifen auf der Schotterpiste zu schreddern. So langsam haben sie sich auch schon Sorgen um uns gemacht, sogar bei den Rangers angerufen und sich nach unserem Verbleib erkundigt und da die Beiden viel früher zurück waren konnten sie auch einkaufen und überraschen uns nun mit Nudeln und Tomatensoße – och, da hat der Tag dann doch noch ein erfreuliches Ende.
Unsere neuen Freunde haben sich einige Ziele entlang der Routa 3 in Richtung Ushuaia ausgesucht, die sie besuchen möchten, also fahren sie am nächsten Morgen weiter - wir müssen erst Mal schauen, dass wir unseren Reifen geflickt bekommen...
Auf dem Rückweg vom Reifendienst reißt dann zu allem Spaß auch noch der Kupplungszug. Zum Glück ist einer im Ersatzteilfundus aber es dauert ewig, bis wir am Straßenrand mit Hilfe des schweizer Taschenmessers den neuen Zug montiert haben (eine ziemliche Fummelei ist das in der heißen Sonne), denn unsere Werkzeuge sind noch immer im Zelt und nicht da, wo sie hingehören – manche Menschen brauchen eben länger, bis sie ihre Lektion gelernt haben.
Auch wir machen uns nun wieder auf den Weg und zwar in Richtung Punto Tombo, wo es eine riesige Kolonie Magellanpinguine geben soll. Wir verirren uns ein wenig, denn natürlich hatte ich die Wegbeschreibung nicht so ganz richtig zu Ende gelesen und als wir dann nach einem Umweg über etwa 150 km Splittpiste ankommen sollen wir 180 Peseten pro Person Eintritt zahlen und dann gibt es noch nicht einmal eine Möglichkeit, hier zu campen. Wir beschließen, uns nicht aufzuhalten, sparen den Eintritt und die Zeit und fahren weiter.
Es hier recht schwer, einen geschützten Zeltplatz zu finden, der allgegenwärtige Wind kombiniert mit der flachen, baumlosen Landschaft und der harten steinigen Erde machen diese Aufgabe oft zu einer ungeahnten Geduldsprobe. Am Ende fahren wir noch einmal 100 km Piste, bis wir zur nächsten Campingmöglichkeit kommen, es handelt sich um die Überreste eine verlassenen Dorfes. Ein junger Mann hat das Land gekauft und in einen Campingplatz auf einer Seite der Straße daraus gemacht, wobei die verfallenen Häuser und ein paar Sträucher den Windschutz bieten. Der Preis lässt uns schlucken, denn es gibt hier außer einem Plumpsklo und eben dem Schutz vor Wind, noch nicht einmal Wasser, aber ohne eben diesen Windschutz geht es nicht und es ist außerdem schon sehr spät also beißen wir in den sauren Apfel und bleiben.
Wenigstens sehen wir später noch einen Buckelwal in der Bucht, der so nah kommt, dass man die Seepocken an seinem Kopf zählen kann. Er dreht lange seine Runden und hat ein staunendes Publikum, denn selbst die Leute, die hier wohnen haben noch nie einen Wal in dieser Bucht gesehen.
Zurück auf der Routa 3 und festem Straßenbelag geht es nun mit großen Schritten in Richtung Süden – wir haben die städtischen Campingplätze für uns entdeckt, die sind extrem günstig und haben oft sogar Wifi und warme Duschen.
In Rada Tilly treffen wir auf einen Rotelbus voll mit Deutschen. So sieht also Abenteuerurlaub kurz vorm Altenheim aus. Mann bin ich froh, dass wir unsere Tour vor diesem Stadium machen, denn ich bevorzuge unser geräumiges Zelt - die Schlafkabinen im rollenden Hotel machen den Eindruck, als seien sie zum Probeliegen für die letzte Ruhestätte geeignet.
Wir sind nun weit im Süden im Ölabbaugebiet und neben hunderten von Pferdekopfpumpen sehen wir immer öfter Schilder und Autoaufkleber, die darüber informieren, dass die Malvinas (Falklandinseln) zu Argentinien gehören. Der erste und einzige Krieg, den Argentinien als Nation geführt (und verloren) hat sorgte nicht nur dafür, dass das Land wirtschaftlich eine lawinenartige Talfahrt hingelegt hat, von der es sich noch nicht erholen konnte, sondern auch für einen herben Schlag unter die Gürtellinie des (extrem ausgeprägten) Nationalstolzes. Während in Großbritannien die wenigsten der jüngeren Generationen wissen, wo die Malwinas liegen und worum es in diesem Krieg überhaupt ging (und das sind mit Sicherheit nicht die wenigen tausend Leute mit britischem Pass, die sich hier mit ihren Schafen ein paar nasse, kalte Quadratkilometer teilen) wird hier von den Schulen bis zum Altenheim die Geschichte diskutiert, gelehrt und sicher nicht zu den Akten gelegt – jedenfalls sind wir froh, dass wir unter deutscher Flagge reisen (wobei um das Thema Fußball von uns ebenfalls ein großer Bogen gemacht wird).
Wir überholen einen Motorradfahrer, der kurz darauf ebenfalls an einem kleinen Straßencafé anhält und so treffen wir auf Namik aus Bodrum, der für ein halbes Jahr dieses Ende des Kontinents bereisen will und fast kein Englisch oder Spanisch spricht, dabei aber erstaunlich gut zurecht kommt.
Als wir nach einem netten Plausch weiterfahren wollen stellen wir fest, dass wir schon wieder einen Platten haben – diesmal am Beiwagen. Namik erweist sich als Retter in der Not, er hat Flickwerkzeug und eine Luftpumpe.
Unser nächstes Ziel ist Rio Gallegos. Es ist extrem windig und es wird immer schlimmer – genau wie die Spurrillen in der Routa 3.
Bei einem Tankstopp gibt es ein freudiges Wiedersehen mit Dawn und Bill. Die beiden haben einige Abenteuer zu berichten und leider nicht nur gute. Auf einer der steinigen Pisten zum versteinerten Wald (der, wie es sich herausstellte die Mühe nicht wert war) hatten sie mit der schwerbeladenen BMW einen Unfall – Maschine und Fahrer haben einige Blessuren abbekommen – zum Glück allerdings sind alle noch Fahrtüchtig.
Wir haben das gleiche Ziel, allerdings wollen wir wie üblich campen, Dawn und Bill jedoch ihre geschundenen Knochen in einem Hostelbett auskurieren.
Die Fahrt ist grausam. Im immer stärker werdenden Wind werden wir mehr als einmal quer über die Straße geblasen, manchmal hebt sich sogar der Seitenwagen und ich habe Mühe, mittels Gewichtsverlagerung zu unserer Stabilisierung beizutragen. Wir sind froh, als wir endlich ankommen und Beide der Meinung, dass dies einer der schlimmsten Tage der ganzen Reise war.
In Rio Gallegos wollen wir unsere letzten Dollar tauschen – ein schwieriges Unterfangen, denn es gibt nur wenige Wechselstuben für den sogenannten blauen Tauschmarkt und dank unserer schlechten Sprachkenntnisse werde ich von einem Ende des Stadtzentrums zum anderen gejagt (vielleicht sollte ich hier einmal erwähnen, dass Kev schlau genug ist, sich dumm zu stellen. Außer einer wachsenden Anzahl von Bier bestellen zu können, ist sein Spanischwortschatz seit unserer Ankunft nicht gewachsen und so übernimmt er gewöhnlich die wichtige Aufgabe unser Motorrad zu hüten während ich mir die Hacken ablaufe) . In einem Musikladen finde ich endlich einen jungen Mann, der ein wenig englisch spricht und Adresse und Namen des Geldwechslers mit der besten Tauschrate für mich im Internet ausfindig macht – wird aber heute nichts mehr, denn es ist nun schon alles dicht.
Wir bleiben 2 Nächte – Bill geht es wieder etwas besser und wir nutzen den Tag, um das Geld zu tauschen, Wäsche zu waschen (mit der Hand im Waschbecken) und uns ein wenig auszuruhen und dann machen wir 4 uns gemeinsam auf die letzten paar hundert Kilometer nach Ushuaia.
An der Grenze zwischen Arg. Und Chile gibt es Probleme für Bill – er hat bei der Einreise kein Einfuhrpapier fürs Motorrad bekommen und nun kann er nicht ausreisen. Es dauert eine Weile, aber er bekommt ein neues Formular ausgestellt, der glückliche. Hier am Grenzposten bekommen wir nun auch eine kostenlose Vorführung eines Spürhundes in Aktion. In Chile hat man scheinbar weder Angst vor Waffenschmuggel, noch vor Drogen – die Hunde sind zum Auffinden von Nahrungsmitteln trainiert und unglücklicherweise findet einer Eier und Käse im Motorrad unserer englischen Freunde. Sie haben Glück und / oder einen Ausländerbonus und bekommen die Sachen nur abgenommen – dass kann nämlich richtig teuer werden, wenn man Lebensmittel nicht deklariert.
Nach dem langen Aufenthalt an der Grenze schaffen wir es auf der unglaublich schlechten Piste nur noch bis Cerro Sombrero und hier können wir hinter einem Hotel kostenlos campen und wenigstens die Toiletten mitbenutzen. Unfassbarerweise treffen wir hier auf ein Ehepaar aus Rennerod – wer hätte gedacht, das die Welt so klein ist, das man in Feuerland auf dem Weg zum Ende der Welt und zum allerersten Mal seit wir unterwegs sind eine Bekanntschaft machen kann, mit der wir Westerwälder Platt sprechen können (das ist ja sogar zu Hause mittlerweile eine Rarität)?
Die 150 km bis zur arg. Grenze sind überwiegend Schotterpiste und ich habe ein Ahaerlebnis: ich weiß nun, warum Schotterpiste auf spanisch Camino ripio heißt – denn genau das macht sie. Bill ist an der Reihe, er hat das Pech sich gleich zwei platte Reifen zu holen. Er verliert nun sowohl vorne als auch hinten Luft. Mehrmals müssen wir anhalten um Löcher zu flicken, wobei wir auf zwei Schwierigkeiten stoßen 1. wie funktioniert das Flickset und zweitens wie erklärt man den LKWfahrern, die man zum Anhalten gezwungen hat, das wir Druckluft brauchen, damit wir den Reifen wieder mit aufblasen können? Wir brauchen den ganzen Tag, um wieder über die Grenze nach Argentinien zu kommen und dann bis Rio Grande – also insgesamt 250 km.
Die Stadt scheint ausgebucht zu sein, es gibt weder einen Campingplatz noch freie Betten und am Ende dürfen wir im Garten einer Pension unsere Zelte aufbauen – für 500 Pesos, was wirklich Wucher ist, aber wenigstens sind Frühstück, Dusche und Wifi im Preis zumindest theoretisch, denn die Internetverbindung funktioniert natürlich nicht
Wir finden eine Luftpumpe für Bill und nun werden wir wenigstens nach Ushuaia kommen – man versichert uns, dass es hier bestimmt neue Reifen gibt.......
Unterwegs wird es nun ziemlich kalt, aber endlich wird die Landschaft so spektakulär, wie wir uns Feuerland vorgestellt haben. Erst als wir uns alle eingepackt haben, wie die Zwiebeln hört es auf zu regnen und die Sonne scheint.
Wir dürfen in einem Tankstellencafé unsere eigenen Brote essen und bekommen sogar kostenlos heißes Wasser und Zucker für unseren Tee und dann auch noch Ketchup und Mayo für die Brote – in Europa unvorstellbar.
Die Ankunft am Stadtschild ist eine recht emotionale Geschichte – nach 110 000 km und so viel Problemen haben wir es tatsächlich ans Fin del Mundo (Ende der Welt) geschafft und dann werden wir auch noch von einer Truppe Motorradfahrer in Empfang genommen – dieses Wochenende ist das Motarradtreffen des einheimischen Clubs, wir sind herzlich eingeladen und bekommen sogar kostenlose Unterkunft.
Das Ganze wird ein total nettes Wochenende mit überwiegend lateinamerikanischen Motorradfahrern am Ende der Welt und viel Bewunderung für uns.
Manchmal wird einem das Winken und Lächeln für die Photos etwas über, aber bei so viel Gastfreundschaft kann man nichts weiter, als sich wohlfühlen und dann bekommen wir sogar 2 Plaketten; eine für die längste Anreise (die haben wir uns aber auch verdient) und man glaubt es nicht, eine für das älteste Motorrad auf dem Platz.
Wir schließen viele neue Freundschaften und lernen ein wenig mehr Spanisch, denn wir schlafen mit 10 Latinos, einem Spanier sowie unseren englischen Freunden in einer kostenlosen Cabana.
Im Preis für den Eintritt ist auch ein Tag im Nationalpark enthalten und so können wir eine Postkarte von der südlichsten Poststelle der Welt abschicken, manche lassen sich hier ihren Pass stempeln und dann gibt es noch das Foto vom Ende der Ruta 3. Irgendwie wird uns etwas rührselig zumute – wir stehen am Ufer, blicken aufs Meer und denken daran, dass wir es manchmal nicht mehr geglaubt haben, hier irgendwann tatsächlich zu stehen – da wird uns sogar ein wenig feucht um die Augen….
Abends geht es dann auf die Party, wo wir gemeinsam mit Dawn und Bill zu viert im Gespann aufschlagen und schwer Aufsehen erregen. Wir werden mit und ohne Gespann geknipst und Liza mit und ohne uns. Dann fragt einer, ob er sich mal daraufsetzen darf – der Damm ist gebrochen und nun stehen sie Schlage, um ein Erinnerungsfoto zu machen. Aus Spaß sage ich, da könnte man fast Eintritt verlangen und einer übersetzt es – und schon füllt sich unsere Sammelbox mit Pesos. Zwischendurch wird für Dawn und Bill ein guter gebrauchter Reifen organisiert und aufgezogen – keiner will etwas für seine Dienste haben und unter so vielen argentinischen Motorradfahrern finden sich auch genügend, die es sich nicht nehmen lassen, mit Hand anzulegen.
Als wir von der Feier zurückkommen zündet noch einer ein Lagerfeuer an und hier stehen wir nun mit 5 Kolumbianern und, einem Argentinier und irgendwer findet noch eine Flasche Fernet, die mit Cola (das argentinische Nationalgetränk)gemischt ihre Kreise unter uns zieht.
Irgendwie schon schade, dass nun bald alles um ist und wir weiterziehen müssen.
Zum Abschied bekommen alle auswärtigen Fahrer Tankgutscheine und weil wir nicht mehr genügend argentinische Pesos haben bekommen wir sogar 2 Gutscheine, was dann gemeinsam mit dem Geld aus der Sammelbox langt das um unseren Tank bis obenhin vollzumachen.
Der einheimische Motorradclub begleitet seine Gäste etwas 100 km nordwärts, dann wird noch mal gegrillt und irgendwann verabschieden sich dann alle, mit einer Herzlichkeit, die uns fast wieder die Tränen in die Augen treibt – wir bekommen die restlichen Steaks und eine riesen Tüte mit belegten Broten zugesteckt. Die Liste der Wohltaten wird immer länger – trotzdem sind wir dann doch froh, als wir alleine und unter uns sind, denn wir sind völlig ausgenudelt und der Schädel brummt – das viele Spanisch wird auf die Dauer dann doch anstrengend. Es dauert nicht lange, da sind wir alle in unserem Zelt verschwunden und im Land der Träume – auch ich- obwohl das Etagenbett in der Cabana meinen Rücken so richtig fertig gemacht hat und ich nun trotz Schmerztabletten nicht mehr weiß, wie ich in den Schlafsack kommen soll.
Es gibt Steakbrote zum Frühstück und dann machen wir uns auf den Weg in Richtung Norden. In Rio Grande tanken wir noch einmal und dann drücken wir erst mal auf die Tube – es gilt 2 Grenzübergänge und 150 km Schotter hinter uns zu bringen.
Vorerst klappt alles erstaunlich gut – beide Grenzen mit den dazugehörenden Formalitäten bringen wir sozusagen im Vorbeiflug hinter uns und dass, obwohl Hochbetrieb herrscht – diesmal ist ja auch alles an Papierkram in bester Ordnung und auch die Zollkontrolle auf Obst und Gemüse an der chilenischen Seite ist eher oberflächlich (wir importieren sogar einen illegalen Apfel unbemerkt).
Dann wird es allerdings ungemütlich. Der patagonische Wind bläst uns kreuz und quer über die Schotterpiste und 28 km vorm Tagesziel in einem Schneeregenschauer müssen wir schon wieder einen platten Reifen wechseln – das wird langsam lästig.
Unser kostenloser Zeltplatz von letzter Woche kostet heute Geld – dafür können wir heute Microwelle, Dusche und Wlan benutzen, was wir auch ausgiebig tun (wir haben ja schließlich bezahlt) und ernten dafür giftige Blicke von einer der beiden Damen an der Rezeption – na die können uns ja Mal.
Wenigstens ist die Straße nach Punto Arenas geteert und das Aufregendste unterwegs ist eine Fähre über den Fjord, denn es stürmt gewaltig. Ich bin froh, dass ich Bill helfen muss, sein Motorrad vor dem Umfallen zu bewahren (von festzurren hat hier noch keiner was gehört) denn dadurch habe ich keine Zeit, mir den wild schwankenden Horizont anzuschauen sonst wäre ich selbst auf den paar Hundert Metern Seekrank geworden.
Mein Navi gibt uns einen Campingplatz in der Stadt, der befindet sich im kleinen Innenhof des Hostels Independencia – allerdings ist der proppenvoll.
Ein weiterer Campingplatz, zu dem uns Eduardo der Hostelbesitzer schickt ist abgeschlossen und dann fällt mir ein, dass ich so ca 20 km vor der Stadt einen Park mit vielen zerzausten Bäumen und Überdachten Sitzplätzen gesehen habe. Wir fahren also zurück, suchen uns ein lauschiges Plätzchen und feiern unseren Abschied von Bill und Dawn, denn die wollen Morgen noch neue Reifen kaufen und dann soll es für die Beiden weitergehen. Schade, wir haben viel Spaß miteinander gehabt und werden diese zwei Verrückten sehr vermissen – wenn wir das Chaosteam sind, dann verdienen sie den Titel: „ Master of Desaster“. Gemeinsam kochen wir ein nettes Abschiedsmahl und sammeln Holz für ein Lagerfeuer, an dem wir uns mit ein paar Bechern chilenischem Rotwein wärmen, während Dawns Handy als Musikbox fungiert.
Nach unserer Party am Abend verschlafen wir alle den Wecker am Morgen und nun müssen die Beiden sich sputen, um noch rechtzeitig zu ihrem Reifentermin zu kommen. Wir schlagen vor, dass sie ihr Zelt stehen lassen und wir darauf aufpassen, bis sie wieder zurückkommen, aber nun springt die GS nicht an..... ich hatte ja schon am Abend davor gewarnt, dass das Handy die Batterie aussaugen würde, aber da hat keiner auf mich hören wollen.
Unsere Versuche, das Motorrad anzuschieben schlagen fehl – ist ja nicht schlimm, denn wir haben ein Überbrückungskabel – bloß – keiner weiß, wo bei der GS die Batterie ist und als wir sie dann nach langem Suchen und unter Zuhilfenahme des Bordhandbuches finden ist das Teil so verbaut, dass wir Ewigkeiten brauchen, bis sie ausgebaut und wieder angeschlossen haben, denn anders können wir das Überbrückungskabel nicht anschließen. Als die GS dann endlich läuft ist auch noch der Vorderreifen platt, da benötigen wir dann auch gleich unseren Stromanschluss, um den aufpumpen zu können – nun sind die Beiden allerdings zu spät für ihren Termin, so dass wir dann stundenlang in der Kälte warten müssen, bis sie wieder zurück kommen – tja und dann ziehen wir alle unserer Wege – die beiden Engländer in Richtung Norden und wir nisten uns für ein paar Tage im Hostel Independencia ein, denn wir müssen einige wichtige Besorgungen machen.
So klappern wir zum Beispiel jeden Reifenhändler sowie 12 Schrottplätze ab in der Hoffnung, einen neuen Reifen für unser Gespann zu bekommen, aber niemand kennt unsere Reifengröße. Am Ende lassen wir halt den Riss wieder flicken – immer noch besser als nada....
In dieser Stadt ist es dann auch möglich, ein paar windfeste Heringe fürs Zelt zu finden und auch Campinggas für unseren neuen mehr schlecht als recht funktionierenden Kocher.
Im Hostel treffen wir wieder auf Christina, eine Deutsche, die im Vorruhestand ist, also irgendwo zwischen 50 und 65, ihr Alter ist extrem schwer zu schätzen, denn sie hat eines dieser alterslosen Gesichter. Vor etwa einem Jahr hat sie ihren Motorradführerschein gemacht hat und nun bereist sie seit etwa einem halben Jahr Südamerika allein – mit Zelt und einer monströsen BMW R 1200 GS.
Zum ersten Mal haben wir sie in Ushuaia getroffen, also am Ende der Welt und dort haben sich ein paar galante Latinos ihre GS zur Brust genommen – Christina wusste nämlich nicht, dass man auch bei Motorrädern ab und an mal Öl nachfüllen muss und auch andere Wartungsarbeiten empfehlenswert sind. Jedenfalls wollte Man(n) sie nicht weiterfahren lassen, bevor der Ölstand wieder im Fenster zu sehen war und bei der Gelegenheit wurde dann gleich eine große Inspektion mitgemacht.... und nun ist sie ebenfalls hier und außerdem noch jede Menge andere Langzeitreisende, wie zum Beispiel Stefan und … Kerstin (endlich ein Name, den ich mir auf Anhieb merken kann). Die beiden sind ebenfalls schon sehr lange auf ihrem großen Motorrad deutscher Herkunft unterwegs und so verbringen wir ein paar Abende gemeinsam rund um den gemütlichen Küchentisch und tauschen Reisegeschichten aus. Einmal kommen wir sogar in den Genuss von Eduardos (Besitzer des Hostels) Cocktailmixer Talent und er macht für alle Pisco Sour – ein Getränk, das nach seiner Ansicht typisch chilenisch ist – in Wahrheit kommt die Köstlichkeit aber ursprünglich aus Peru. Wir diskutieren nicht, sondern genießen nur und es ist uns ehrlich gesagt ziemlich egal, wers erfunden hat.
Unsere nächste Ziel ist der berühmte Torres del Paine Nationalpark.
Der Eintritt ist für hiesige Verhältnisse ziemlich teuer, gilt aber für 3 Tage. Viele Besucher kommen zum wandern, aber das fällt für uns flach – die Temperaturen machen meinen Krankenschwesternknochen schwer zu schaffen und nicht nur mein Rücken, sondern auch meine Knie verbieten solche Extravaganzen schon im Vorhinein. Allerdings holpern wir so ziemlich jede Piste ab, die sich anbietet und die Aussichten sind trotz dunklen Wolken am Himmel genau wie auf den Postkarten. Auf dem Campingplatz treffen wir auf eine Truppe Radfahrer, die in Richtung Ushuaia unterwegs sind. Diese Jungs und Mädels verdienen die größte Hochachtung, denn sie haben nicht nur mit den Wellblechschotterpisten, Reifenpannen und ihrem Gepäck zu kämpfen, sondern müssen sich auch nur mittels ihrer Muskelkraft durch den ausdauernden patagonischen Wind vorwärts arbeiten, der in den seltensten Fällen in Fahrtrichtung bläst. Das ist schon auf dem Motorrad harte Arbeit, aber definitiv nicht vergleichbar.
Wir wachen einmal mehr zu einem platten Hinterreifen auf, aber was auf den ersten Blick wie ein Drama erscheint (wir sind schließlich einmal wieder im Nichts und weit entfernt von Pannenhilfe) erweist sich am Ende als Klacks, denn unser brasilianischer Nachbar hat doch tatsächlich eine elektrische Luftpumpe dabei und das gepaart mit unserem neuen Flickzeug sorgt dafür, dass der Schaden schnell behoben ist – wir bekommen zum Dank dafür, dass der Brasilianer uns helfen konnte sogar noch eine Flasche Rotwein geschenkt.
In Puerto Natales gönnen wir uns noch eine Nacht im Hostel und somit einem richtigen Bett und organisieren einmal mehr einen Vorrat an Dollars, denn von hier aus geht es wieder nach Argentinien, nach El Calafate und zum berühmten Perito Moreno Gletscher....
Südamerikaner scheinen eine besondere Vorliebe dafür zu haben, Städte, Straßen, Nationalparks und andere besondere Orte nach ihren vergangenen Präsidenten oder berühmten Persönlichkeiten besonders aber nach Generälen und Heiligen zu benennen. Nicht nur dieser Gletscher trägt diesen Namen, wir sind auch durch mindestens zwei Städte gekommen, die Perito Moreno hießen.... die Hauptstraße fast jeder Stadt ist nach dem Heiligen Martin benannt und dann gab es wohl irgendwann einen General Colon! Jedesmal wenn ich ein Orts- oder Straßenschild mit seinem Namen sehe muss ich lachen und an meinen besten Freund Heino denken, der mit Sicherheit daran seine helle Freude gehabt hätte und vermutlich mindestens 90 % aller, die in Heilberufen tätig sind – Colon ist nämlich der Endbereich des menschlichen Verdauungssystems und nicht wenige dieser Orte sind wirklich am Dickdarmbereich der Welt …..
Nun ja – El Calafate selbst ist typisch Massentouristengebiet, ein Restaurant, Touranbieter, Nippesladen am anderen und natürlich Hotels, Hostels, Cabanas – Unterbringungen für jeden Geldbeutel.
Es gibt eine nette Überraschung für uns, als wir in die Stadt kommen, wir sehen ein bekanntes Gesicht: Peter, den wir schon in Puerto Madrin getroffen haben und so beschließen wir gleich, uns auf dem Campingplatz niederzulassen, auf dem auch er sein Zelt aufgestellt hat. Zuerst muss ich jedoch Dollars tauschen – dafür klappere ich jeden Laden etc ab, bis ich endlich einen vernünftigen Tauschkurs angeboten bekomme – leider will man mir jedoch nur 100 Dollar tauschen – na was solls, fürs Erste reicht das ja und ich habe nun auch keine Lust mehr, noch an anderen Stellen mein Glück zu versuchen.
Wir verbringen einen angenehmen Abend mit Peter, der uns von seiner Odyssee mit Fahrrad und Bus durchs Land berichtet und bei dieser Gelegenheit finden wir dann auch noch heraus, dass er aus Kreuztal kommt – also zu Hause fast ein Nachbar ist.
Peter hat sich für den nächsten Tag eine Mitfahrgelegenheit zum Gletscher organisiert und die Kosten für ein Mietauto für den Tag durch 5 geteilt ist günstiger, als ein Busticket! Wir sind froh, dass wir unser eigenes Fahrzeug benutzen können, denn unsere Spritkosten für die 150 km hin und zurück sind ein Bruchteil der Busfahrkarte für einen von uns.
Zum Glück ist meine Wetterbestellung gerade noch rechtzeitig von Petrus bearbeitet worden – nachdem wir pitschnass in El Calafate angekommen sind und es dann die ganze Nacht in Strömen geregnet hat, ist nun der Himmel blau und die Sonne strahlt aus allen Knopflöchern.
Der Gletscher ist unglaublich, das Eis strahlt in den unterschiedlichsten Blautönen, von fast weiß bis Azur. Die pfeilförmige Spitze die sich täglich um 2 Meter vorwärts in den Lago Argentino schiebt ist 5 km breit, ragt ca 50 m empor und weitere 180 m tief in den See hinein. Er bedeckt insgesamt eine Fläche von 257 qkm und er ist einer der wenigen Gletscher der Welt, der sich nicht auf dem Rückzug befindet, sondern wächst. Die Vorwärtsbewegung der Eismassen ist unüberhörbar, immer wieder ertönt ein donnergleiches Knallen und Ächzen und mit viel Getöse brechen Teile ab und fallen in den türkisgrünen See, um dann als Eisberg weiter zu treiben. Natürlich versuche ich immer wieder dieses Schauspiel zu filmen, aber die Kamera ist jedes mal auf das falsche Ende der Szenerie gerichtet. Inmitten von hunderten von Touristen stehen wir fassungslos vor diesem Wunder der Natur, fühlen uns klein, unbedeutend und unglaublich privilegiert, diese Schönheit sehen zu dürfen.
Perito Moreno reiht sich für uns in die Liste der „best off“ Erlebnisse dieser Reise ein, gemeinsam mit der Unterwasserwelt des Komodo Nationalparks, den Tempeln Kambodschas, den nordvietnamesischen Reisterassen, den Nächten unterm Sternenhimmel des australischen Outbacks und den Naturwundern Neuseelands …..
Nicht nur wir, sondern auch Peter machen uns nach einen Abend in internationaler Gesellschaft rund um ein typisch argentinisches Asado mit Choripam (argentinisches Bratwurstbrötchen) und Fernet-Cola (ich bin übrigens mittlerweile fast soweit, der Behauptung eines Argentiniers Glauben zu schenken, das er und seine Landsmänner Fernet Branca vor dem Konkurs gerettet haben) wieder auf die Piste und schon bald sind wir auf der berühmt berüchtigten Routa Quarenta (RN 40) die über 5000 km entlang der südwestlichen Grenzregionen von Rio Gallegos bis Bolivien führt.
Früher einmal war diese Straße geheimer Liebling der Abenteurer auf Geländefahrzeugen, doch eigentlich ist davon nur der Kult geblieben … es gibt nur noch 2 Teilstrecken im Süden, die noch nicht asphaltiert sind … und die haben wir hier nun als erstes unter den Rädern. Die Landschaft ist wunderschön, in der Ferne türmen sich die schneebedeckten Gipfel der Anden. Der Himmel ist düster die Straße von Baumaschinen zerpflügt und teilweise rutschig wie Eis wo die Schlammpfützen noch nicht ganz getrocknet sind.
Der Wind gibt sein Bestes, um seinem Ruf für diesen Teil der Welt gerecht zu werden. Wir kämpfen uns voran und irgendwann sind wir einfach nur noch geschafft.
Es ist schon recht spät, als ein Hinweisschild uns von der Straße lockt, es führt zur Estancia Angostura – ca. 3 Kilometer einen Feldweg entlang (der ist noch nasser und holpriger, als die Nationalstraße) und endet an einem Farmgebäude – malerisch mit Pferden, Schafen und Flamingos, die in den sumpfigen Feldern umher staksen oder auf einem Bein dastehen wie ein Gartenornament.
Die Besitzerin zeigt uns recht kurz angebunden wo und wie wir unser Zelt aufstellen können und als ich frage, ob wir vielleicht im leeren Hauptgebäude kochen können da unser Campingkocher sonst gegen den Wind kaum ankommt wird sie recht unwirsch und meint, dann müsse sie uns mehr berechnen – na dann eben nicht....
Sie verschwindet ziemlich schnell im Haus, denn sie muss für andere Gäste kochen und wir bauen unser Zelt im Windschutz der dichten Hecke.
Während ich mich mit dem schwachbrüstigen Primuskocher abmühe und eine wärmende Gemüsesuppe zaubere unterhält sich Kev mit einem der Gäste, der natürlich unser Gespann bewundert. Er ist mit einem Leihmotorrad und seiner Freundin unterwegs, nach dem wenigen Gepäck zu urteilen müssen die beiden nicht knausern, sie übernachten in Hotels und Cabanas (die hier kostet nach Angaben des jungen Mannes 150 USD pro Nacht – schluck, und wir dachten unsere 200 Pesos seien teuer). Nach unserem Abendbrot werfen wir einen neugierigen Blick ins Hauptgebäude. Es besteht aus einem mit stilvollen schweren Holzmöbeln ausgestatteten Speisesaal mit urigen Dekorationen landwirtschaftlicher Natur und Schränken voll mit Weinflaschen (definitiv nicht die billigen Tafelweine, die wir uns manchmal leisten). Es gibt einen riesigen Kamin, in dem man zünftig Asado brutzeln kann und eine Küche.....
Die gläsernen Eingangstüren sind mit Aufklebern bestückt, von allem, was Rang und Namen hat (Motorrad Abenteuer, Edelweistravel, Adventure Rider und wie sie alle sonst noch heißen).
Als wir am nächsten Morgen packen ist die Hausherrin plötzlich die Freundlichkeit in Person. Sie erzählt, dass der junge Mann beim Abendbrot von unseren Abendteuern berichtet hat und meint, wir könnten so lange bleiben, wie wir wollen – jetzt wollen wir aber nicht mehr.
Der Wind hat nun eine Pause gemacht – na ja, irgendwann muss jeder mal Luft holen und nach weiteren 30 km haben wir wieder Asphalt unter den Rädern. Nur selten begegnet uns ein Fahrzeug und bis auf ein einmaliges Leerlaufschaltermucken läuft ausnahmsweise mal alles wie am Schnürchen – trotzdem werden wir langsam nervös, denn wir sind schon seit 100 km auf Reserve unterwegs.
Endlich taucht eine Siedlung auf – ein Hotel mit 2 Zapfsäulen an einer staubigen Straßenkreuzung und eine Hand voll ärmlichen Behausungen und eine Atmosphäre wie in den alten Charles Bronson Western – das Lied vom Tod und ein paar Geier fehlen zum stilechten Ambiente.
Die beiden Zapfsäulen sind mit Aufklebern unzähliger Motorradreisender gepflastert – man braucht nicht viel Phantasie, um die Dramen zu spüren, die sich um diese „Tankstelle“ ranken, denn wenn wir mit unseren 60 Litern Tankvolumen schon Blut und Wasser geschwitzt haben als wir ankamen, wie muss es dann dem durchschnittlichen Endurofahrer ergehen?
Wir gönnen uns ein recht zähes Steaksandwich, dass bei dem Versuch ein Stück abzubeißen in alle Bestandteile zerfällt, bis man nur noch einen Lappen Schuhsole mit Salz und Pfeffer in den Händen hält. Man sagt ja, Hunger sei der beste Koch - das stimmt wohl auch für den Gast......
Kurz nach uns rollen noch 2 weitere Motorradfahrer ein – die sind auf dem Weg nach Süden und wir warnen pflichtschuldigst vor der (Benzin)trockenen Piste, die vor ihnen liegt, dann fahren wir weiter. Es gibt noch etwas mehr 2-rädrigen Gegenverkehr, den wir fröhlich grüßen und dann stürzt auf einmal der Computer ab und lässt sich nicht mehr hochfahren und nun muss ich mittels der groben Zeichnung einer Landkarte aus einem Patagonienreiseführer navigieren, den wir irgendwo aufgelesen haben – natürlich weisen die Straßenschilder zu Orten, die in diesem Reiseführer nicht erwähnt werden und dann gibt es auch keinen Hinweis mehr zur Routa 40. Die nächste Nacht verbringen wir auf dem ehemaligen städtischen Campingplatz von Rio Mayo – die Stadt selbst sieht nicht viel besser aus, als die Überreste des Campingplatzes, der selbst in seinen besseren Zeiten nicht besonders reizvoll gewesen sein kann und ich versuche nun in Ruhe und mit allen mir bekannten Tricks, den Computer wieder zum Laufen zu bringen – Erfolglos! Oh Gott – seit unserer Ankunft habe ich kein Back-up mehr gemacht...... ich hoffe inständig, dass wir irgendwo einen Computerladen finden, der das Teil wieder zum Laufen bringen kann, sonst sind wir tief im Dünger …. 2 Monate Tagebuch und alle Bilder von Chile und Argentinien und den unglaublichen Orten, die wir besucht haben sind hier gespeichert und das Navigationsprogramm zu verlieren wäre ebenfalls übel!
Tja, obwohl keine der kleinen Siedlungen in dieser Ecke Colon heißt – jede einzelne sieht so aus. Entlang der Straße ziehen sich hohe lange Zäune und sie sind gespickt mit Guanakos, eine patagonische Llamaart, in den verschiedenen Stadien der Verwesung – schade um die schönen Tiere.
Irgendwann tauchen Schilder für Bariloche auf und nun wissen wir endlich, dass wir in der richtigen Richtung unterwegs sind.
Die schneebedeckten Gipfel der Anden kommen wieder näher und dann sind wir endlich mittendrin. Die Straßen schrauben sich auf und ab und sind mit einem Teppich bunter wilder Lupinen gesäumt.
In El Bolson einem wunderschönen kleinen Ort können wir uns leider nicht länger aufhalten, denn es ist bald Weihnachten und wer weiß, wann wir nach Bariloche wieder in eine Stadt kommen, wo es Geschäfte aller Art gibt und die Reparatur unseres Computes liegt uns schwer im Magen
Von El Bolson bis Bariloche ist es nicht weit – 120 km ungefähr. Wir kommen um die Mittagszeit an und halten uns zuerst an die Touristeninformation. Die sind hier wirklich gut. Ich erkläre, dass wir unseren Computer reparieren lassen müssen und bekomme einen Stadtplan mit entsprechenden Markierungen. Allerdings ist im Moment Siesta und so fahren wir erst Mal zum Campingplatz und stellen unser Zelt auf. Danach geht es zurück in die Stadt und wir klappern Computerläden ab. Schnell bekommen wir Hilfe bei der Suche angeboten– ein Argentinier, der für ein Jahr in Österreich gelebt hat und recht gut Deutsch spricht nimmt sich unserer an und führt uns von einem Laden zum nächsten, bis wir endlich jemanden gefunden haben, der kompetent und willens scheint, sich der Sache noch vor Weihnachten anzunehmen. Man verspricht mir auf jeden Fall in der Lage zu sein, unsere Dokumente und Bilder zu retten und vielleicht kann man auch die Ursache für den Absturz finden und beheben.
Über die nächsten beiden Tage müssen wir täglich unseren Aufenthalt auf dem Campingplatz verlängern und werden jedesmal wenn wir zum Computerladen kommen auf den nächsten Tag vertröstet, bis endlich die Diagnose feststeht: die Festplatte ist hin. Man kann jedoch all unsere Daten retten und ist halb zuversichtlich, dass man auch eine Austauschfestplatte für uns finden kann und tatsächlich klappt das Ganze noch vor Weihnachten. Das einzige Problem abgesehen von dem Preis ist die Tatsache, dass als wir endlich unseren Computer wieder abholen können, er nur noch spanisch mit mir spricht und natürlich fehlen uns jede Menge Programme. Die wichtigsten kann ich noch im Laden bekommen wie z.B. ein Schreibprogramm und außerdem fällt zum Glück noch hier auf, dass der Computer auf das deutsche Keyboard eingestellt werden muss.
Danach geht es wieder zum Campingplatz, wo ich endlich wieder mit der Welt kommunizieren und die Mails der letzten Tage abrufen kann….
Ich finde heraus, dass Bill und Dawn ebenfalls in Bariloche sind und so beschließen wir, Weihnachten in einem Hostel in der Stadt zu verbringen und mit unseren Freunden zu feiern
Bevor wir allerdings den Campingplatz verlassen machen wir ausgiebig von der Internetverbindung Gebrauch und wir schaffen es sogar, meine Eltern pünktlich zum Heiligabend anzurufen.
Der Weihnachtsfeiertag mit unseren beiden verrückten englischen Freunden ist sowohl feucht, als auch extrem fröhlich aber leider müssen wir uns dann unserem Budget beugen und die Beiden hier verlassen, und auch Patagonien ist an dieser Stelle offiziell zu ENDE.